Brief an Werner Hansch.
Lieber Werner,
vor acht Jahren habe ich Dir schon einmal einen Brief geschrieben, damals schien Deine Welt noch in Ordnung zu sein. Als ehemaliger Kult-Sportreporter warst Du in Talkshows ein gefragter Gast, hast tolle Veranstaltungen moderiert. Regelmäßig trafen wir uns im Café Kleimann nahe dem Dortmunder Pressehaus, sprachen über Vergangenes und neue Pläne. Nur die Kellnerin und der Papagei in seinem Käfig, der zu Kleimann gehörte wie der Kaffee zum Kuchen, durfte uns mit seinem Geplapper unterbrechen.
Was ich 2013 nicht ahnen konnte, was Du niemandem erzählt hast: Seit 2008 setzt Du in einem Recklinghausener Wettbüro Geld auf Pferde, meistens auf die falschen. Anfangs schiebst Du der Kassiererin nur 20 Euro rüber, später aber bis zu 5000 Euro täglich. Es ist eine Einbahnstraße des Glücks, die nur eine Richtung kennt. Der Weg führt in den Ruin, in den Abgrund, in die Hölle. Und ins Promi-Big-Brother-Haus.
Jahre lang hast Du Dein schreckliches Geheimnis verschwiegen, aus Scham, wohl auch im Glauben, dass sich im Wartezimmer zum Glück endlich die Tür für Dich öffnet; doch dort sitzt neben Dir der Spielteufel, der nach Deinem Vermögen giert. Du bist krank, süchtig, nicht mehr Herr seine Sinne.
Irgendwann, mitten in der Nacht, findet Deine Lebensgefährtin Dich schlafend auf dem Wohnzimmersofa. Auf dem Parkettboden liegen jede Menge Wettscheine, ausgefüllt von Dir für den nächsten Tag. Wenig später wird Moni Dich für immer verlassen. Sie wird aus Eurem Traumhaus flüchten, nicht wissend, dass Du es längst verkauft hast. Du verzockst nicht nur Hunderttausende, sondern auch das Wichtigste, das zu besitzt: Deine Liebe.
Im Sommer 2020 will ich die Nachricht nicht glauben. SAT.1 kündigt an, dass Du mit 81 Jahren ins Promi-Big-Brother-Haus einziehst, als TV-Opa mit vielen C- und D-Promis. Mein erster Gedanke: Warum erniedrigt sich ein renommierter Reporter, sich vor einem Millionen-Publikum der Lächerlichkeit preiszugeben; der große Bruder filmt im Container jeden Schritt, auch den unter die Dusche.
Doch schon am nächsten Tag zwingt Dich Big Brother, auszupacken, warum Du in sein Haus gekommen bist. Geschüttelt von Weinkrämpfen, verrätst Du endlich Dein Geheimnis. „Im Tiefsten meines Herzen spürte ich: Nun ist der Moment gekommen, wo der Elefant das Wasser lässt.“
Mit jeder Sendung verwandelt sich mein Unverständnis über Deinen Einzug in das Big-Brother-Haus in Hochachtung. Ich bewundere Deinen Mut, öffentlich Fehler einzugestehen, Deine Ehrlichkeit, die alleinige Schuld für den Absturz zu übernehmen. Mir imponiert Deine Kraft, drei Wochen lang durchzuhalten, Dein Wille, uns und sich selbst zu beweisen, dass auch ein alter Mann sich behaupten kann.
Schnell gewinnst Du den Respekt der Mitbewohner und vieler Zuschauer. Da erträgt jemand alberne Spielchen und junge Frauen, die ihre nackte Haut präsentieren und mit Sexgeschichten provozieren, um Karriere zu machen.
Dein Ziel wird schnell deutlich: Mit dem Antrittsgeld von 80.000 Euro und der 100.000-Euro-Siegprämie willst Du den riesigen Schuldenberg abbauen und wieder in den Spiegel schauen können. Der große Werner Hansch, der Freunde und Bekannte belogen und betrogen hat, als er sich von ihnen Geld lieh, möchte noch einmal den blauen Himmel sehen.
Auch mich hast Du um Geld angebettelt, hast mir die Geschichte vom Autounfall erzählt, der nicht bekannt werden soll; von dem Anwalt, der sein Honorar einfordert. Danach herrscht viele, viele Monate Funkstelle zwischen uns. Eine Funkstelle, die erst im Januar 2021 endet. Du nimmst all Deinen Mut zusammen, rufst an, bittest mich, ein Buch über Dich zu schreiben.
Lieber Werner,
dieses Buch ist jetzt fertig. In „Einmal Hölle und zurück!“ schildere ich Deine Kindheitserinnerungen in Kriegsjahren, den Beginn einer großen Karriere als Stimme des Ruhrgebiets und die Einsamkeit eines Mannes ohne Mikro. Das Buch erzählt auch vom ersten Besuch in einem Wettbüro, von Deinem brutalen Absturz in die Spielsucht und Deinem Wunsch, Mitmenschen vor der Krankheit zu schützen.
Es erzählt die Geschichte unserer Freundschaft.
Glückauf!
Hermann